Mordreds Tales
© 2010 – 2024 Marcel Wolters







 

Die Fabel von der Suche nach dem Sinn des Lebens



Es war ein sonniger Morgen, als einst ein Mann beschloss, sich auf eine Suche zu machen. Tage-, wochen-, ja jahrelang grübelte er, was wohl der Sinn des Lebens sei. Der Sinn sei, so hatte er gehört, eine einfache zweistellige Zahl. Vielleicht, war seine Hoffnung, fände er ja diese Zahl.

Der Mann schloss seine Tür ab und marschierte in die Welt. Nicht lange dauerte es, da kam er an einem kleinen Haus vorüber, in welchem er ein Kratzen und ein angestrengtes Keuchen hörte. "Was ist es, das Euch so quält?", fragte der Wanderer die Frau, die er durch das Fenster der Wohnküche sah. "Mein Kühlschrank", stöhnte die Hausherrin, "ist voll Eis und es ist beschwerlich, dieses abzukratzen. Oh, mein armer Rücken!" Es dauerte den Mann die Frau und er erbot sich, ihr zu helfen. Eine Stunde verging, dann war das Werk getan. Überglücklich bot die Hausherrin dem Manne einen Teller Suppe an, doch er schüttelte den Kopf. "Ich danke Euch sehr, gute Frau", sagte er, "doch ich muss fort. Den Sinn des Lebens suche ich und ich fürchte, mein Weg ist noch weit."

Nicht weit von dem Haus fand er einen Eisstand. Es war Sommer und die Sonne stand im Zenit. "Was wäre ein Eis von Vanille oder Schokolade doch für eine willkommene Erfrischung!", rief er. Doch um den Eisstand war eine Traube Kinder, die schnatterten und in ihren Hosentaschen kramten. "Es reicht nicht", sprach ein Junge traurig. "Mir fehlt ein Groschen", beschwerte sich ein Mädchen. Der Mann überlegte nicht lange und bat den Eisverkäufer: "Ich bitte Euch, gebt den Kindern, was immer sie begehren!" Der Eismann tat, wie ihm geheißen und die Kinder waren glücklich. Für den Mann jedoch war nun kein Eis mehr übrig und so ging er weiter seines Weges.

Monate gingen ins Land und der Mann wanderte und wanderte, ohne je einen Hinweis zu erhalten, was denn der Sinn des Lebens sei. Er fragte den Priester. Der Priester erzählte dem Manne von Gott und den Engeln und dass das Leben gottgefällig sein solle. Der Mann fragte, welches Leben da gottgefällig wäre und der Priester sprach von Gebet und von Entsagung von der Sünde. Der Mann fragte, welches die Sünde sei, der er entsagen solle und der Priester sprach, er solle nicht bei einem Weibe liegen außer um Nachkommen zu zeugen. Schon gar nicht solle er beim Manne liegen. Hierin und nur im Gebete mochte der Mann den Sinn des Lebens nicht sehen. Auch nicht darin, gut zu sein, nur um einem Gott zu gefallen. Gutes tun sollte man um des Guten willen.

Der Mann traf den Philosophen und fragte ihn nach dem Sinn des Lebens. Der Philosoph jedoch sprach in Rätseln vom Kosmos und dem Universum und davon, dass diese zu verstehen erst dem Leben einen Sinn gäbe. Der Mann fragte den Philosophen, was denn das Universum sei. Der Philosoph antwortete, dass das Universum sei, was uns alle umgebe. Verstünde man dies, verstünde man auch das Leben und welchen Sinn es habe. Der Mann bat den Philosophen, ihm Kosmos und Universum zu erklären und der Philosoph hub an, vom kosmischen Äther zu erzählen und zu rätseln, ob sich die Erde drehe oder alles um die Erde herum, ob man über die Erde laufe oder sich die Erde unter den Füßen fortbewege. Auch hierin vermochte der Mann den Sinn des Lebens nicht erkennen.

Nach einer langen Wanderung schließlich erreichte der Mann ein kleines galicisches Städtchen. Auf die Frage, wo er nun sei, antworteten die Bewohner, ihr Städtchen heiße Santiago. Santiago de Compostela. Der Mann fragte, ob es jemanden gäbe, der ihm den Sinn des Lebens erklären könne, doch die Santiager schüttelten die Köpfe. "Was nutzt mir der Sinn des Lebens", sprach gar ein Mann, "wenn ich es nicht leben kann, weil ich verhungere?" Der Wanderer überlegte und fand die Frage wohl zu Recht. "Doch warum droht Ihr zu verhungern, werter Herr?", fragte er. Der Mann aus Santiago erzählte von der Pein der Menschen im Städtchen und davon, dass alle Speise schnell verdarb in der Hitze. "Vielleicht", sprach der Wanderer, "vermag ich Euch zu helfen, Herr. Nicht weit von hier erblickte ich eine Grotte und wollte mich in ihr zur Nacht betten. Doch war es in der Grotte zu kalt, denn ihr Innerstes besteht aus Eis. Von diesem Eise holt euch und legt eure Speisen hinein. Das hält sie frisch."

Die Santiager taten, wie der Wanderer sie hieß und der Wanderer tat das Seine, ihnen zu helfen, das Eis in ihre Keller zu schaffen. Nachdem dies Werk getan war, begab der Wanderer sich in ein Gasthaus, um eine kleine Speise und einen kühlen Trunk zu bekommen und vielleicht ein Bett für die Nacht. Ein alter Mann mit langem grauem Bart befragte den Wanderer, was ihn denn auf seine Suche wohl trieb und der Wanderer erzählte, wie er den Sinn des Lebens zu finden gedachte. Er erzählte von dem, was er erlebt, davon, wie er der Frau in ihrer Wohnküche ihre schwere Aufgabe abnahm, von den Kindern, die er glücklich gemacht hatte. Er erzählte, wie er einem Bauern seinen Traktor repariert hatte, auf das er seine Früchte ernten konnte, wie er einem Wanderer auf die Beine geholfen hatte nach einem Sturze, indem er in einem Hause um einen Beutel Eis bat, um den geschwollenen Knöchel zu kühlen. "Warum sucht Ihr nun aber nach den Sinne des Lebens", fragte da der alte Mann, "wenn Ihr mit Eurer Zeit doch so viel Besseres tun könnt? Verschwendet Eure Zeit nicht mit der Suche nach einer Antwort, die Ihr nie finden werdet. Ihr seid ein guter Mann, denn Ihr halft stets ohne den Wunsch, dafür belohnt zu werden. Ist dies nicht viel sinnvoller als eine aussichtslose Suche?"

Der Wanderer dachte nach und stimmte dem Alten schließlich zu. Wo immer er hilfreich sein konnte, war er fortan hilfreich, wie er es auf seiner Reise schon gewesen. Als nach vielen, vielen Jahren schließlich der Gevatter am Bette des Wanderers stand, lächelte der der Mann. Er dachte zurück daran, wie viel Glück und Zufriedenheit er den Menschen gegeben hatte und nun verstand er den Sinn seines Lebens.


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